Viel geforscht? Auf nach Australien! – Stuttgarter Restaurierungsforschung in Melbourne präsentiert

Alle drei Jahre lädt das Restaurierungskommittee des Weltmuseumsrats (ICOM-CC) zu seinen Triennial Conferences. Nach Rio (2002), Den Haag (2005), Neu Delhi (2008) und Lissabon (2011) ist nun Melbourne vom 14.-19.09.2014 Veranstaltungsort (www.iocm-cc2014.org). Beiträge zu dieser weltweit bedeutenden Tagungsserie zum Gesamtgebiet der Restaurierung unterliegen einer strengen, fachlichen Auswahl. Diesmal bewarben sich auch zwei Absolventinnen aus dem Studiengang Objektrestaurierung der Kunstakademie Stuttgart mit ihren originellen und praxisrelevanten Diplomarbeiten für Vorträge – und hatten Erfolg!

Viel geforscht? Auf nach Australien! – Stuttgarter Restaurierungsforschung in Melbourne präsentiert; Abb. 1: Ausdünstungen von Keramikklebstoffen führen zu Metallkorrosion: links in den Stopfen Kupfer, in der Mitte Blei, rechts Silber (Foto: J. Ziegler)
Abb. 2: Mit dem Schimmelpilz Penicillium chrysogenum beimpfte Lederprobe vor der Reinigung (Foto: L. Masen)Viel geforscht? Auf nach Australien! – Stuttgarter Restaurierungsforschung in Melbourne präsentiert; Abb. 1: Ausdünstungen von Keramikklebstoffen führen zu Metallkorrosion: links in den Stopfen Kupfer, in der Mitte Blei, rechts Silber (Foto: J. Ziegler) Abb. 2: Mit dem Schimmelpilz Penicillium chrysogenum beimpfte Lederprobe vor der Reinigung (Foto: L. Masen)

25.08.2014

Julia Ziegler (Diplom 2013) testete herkömmliche Keramikklebstoffe aus Cellulosenitrat. Im beschleunigten Korrosionstest zeigten sich dramatische Auswirkungen auf Metalle durch Schadstoffemissionen in die Umgebungsluft, sogar Silber wird angegriffen. Diese bisher häufig auch in der Restaurierung verwendeten Keramikkleber kommen daher zukünftig nicht mehr in Frage: Andere Objekte in Vitrinen sind stark gefährdet.

Lisa Masen (Diplom 2012) untersuchte unter Betreuung der Mikrobiologin und Restauratorin Dr. Stefanie Scheerer (Fa. BioPhil, Stuttgart), wie gut in der Restaurierung übliche Trockenreinigungsmittel Schimmel entfernen können. Dazu maß sie die verbliebene Restaktivität mit einer Schnelltestmethode aus der Lebensmittelindustrie. Luziferase, ein Enzym, das Glühwürmchen zum Leuchten nutzen, wird hierbei zum empfindlichen Nachweis über die erzeugte Lichtmenge eingesetzt. Zuschüsse aus der Akademie und vom neu gegründeten Förderverein Objektrestaurierung (www.foerdervereinobjektrestaurierung.de) unterstützen die beiden Absolventinnen bei den Reisekosten.

Ebenfalls mit einem Vortrag vertreten ist die Gemälderestauratorin Karolina Soppa, die jetzt in Bern lehrt. Als Doktorandin bei Prof. Dr. Christoph Krekel vom Institut für Technologie der Malerei; Archäometrisches Labor der Kunstakademie, hat sie die Haftung und das Eindringverhalten von Störleim und verschiedenen Gelatinen untersucht, die häufig auf Malschichten verwendet werden. Dazu hat sie diese Festigungsmittel mit einem speziellen Verfahren markiert, um sie im Fluoreszenzmikroskop sichtbar machen zu können.

Zusätzlich werden zwei Akademische Mitarbeiterinnen der Stuttgarter Kunstakademie ihre Forschungen mit Posterbeiträgen vorstellen können: Julia Schultz, Mitarbeiterin von Prof. Dr. Christoph Krekel, zeigt, wie man Tiergattungen bestimmen kann, aus denen Leim für Boulle-Möbel gewonnen wurde. In ihrer gerade abgeschlossenen Dissertation an der Akademie hat sie dazu das ELISA-Verfahren eingesetzt, bei dem spezifische Eiweiß-Antikörper verwendet werden. Vor der Tagung wird sie dazu auch einen Fortbildungskurs an der Art Gallery of New South Wales in Sydney geben. 

Margarete Eska (Mitarbeiterin am Lehrstuhl Objektrestaurierung bei Prof. Dr. Gerhard Eggert) hat zusammen mit Nicole Ebinger vom Landesamt für Denkmalpflege in Esslingen Gasblasen in historischen Gläsern mit Mikro-Computertomographie untersucht. Aus deren Größe, Form und Verteilung lassen sich interessante Rückschlüsse auf die Herstellung ziehen. Die Arbeit soll den Auftakt zu weiteren Projekten am Lehrstuhl zur Untersuchung musealer Hohlgläser darstellen.

Im Anschluss an die Tagung wird dann in Perth ein Symposium der Arbeitsgruppe zu organischen Nassfunden stattfinden. Dort will Prof. Dr.Gerhard Eggert Ergebnisse aus seinem DFG-Projekt „Gefriertrocknung“ in die Diskussion einbringen. In diesem noch bis Ende 2014 laufenden Forschungsvorhaben untersucht die Doktorandin Ingrid Wiesner (LAD Esslingen) die Konservierung von archäologischen Feuchtfunden in einem speziellen Gefriertrocknungsmikroskop. Mitte 2016 sollen die Ergebnisse dann parallel zur großen Landesausstellung zum UNESCO-Weltkulturerbe Pfahlbausiedlungen in einem internationalen Colloquium der Fachwelt vorgestellt werden.

Die zahlreichen Beiträge zu so unterschiedlichen Themen illustrieren die einzigartige Forschungsvielfalt am Stuttgarter Institut für Konservierungswissenschaften unter der Leitung von Prof. Volker Schaible. Das Studium soll bis an die Grenzen des Wissens vordringen. Daraus ergeben sich Anregungen und Ideen, den Kenntnisstand zu erweitern. In der Verbindung von Lehre und Forschung hat die Restauratorenausbildung dabei einen klassischen, universitären Anspruch. Restaurierung wird nicht nur auf wissenschaftlicher Grundlage vermittelt und praktiziert, sondern auch durch neue Erkenntnisse vorangetrieben. Gerade beim Forschen lässt sich viel lernen, was dann auch wieder Eingang in die Lehre finden kann. Leitstern bleibt das Humboldt’sche Bildungsideal, die Einheit von Lehre und Forschung.


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