„Fakten sind keine Alternative?“ – „Alternative facts“ als Krise der Wissenschaftsvermittlung

Württembergischer Kunstverein Stuttgart, Schlossplatz 2, 70173 Stuttgart

Abb.: Plakat (Foto: sven-w.com)
Abb.: Plakat (Foto: sven-w.com)

28.06.2019 | 19:00

Ein Vortrag von Moriz Stangl

Ein Gespenst geht um in Europa, es ist sexistisch und rassistisch; es ernährt sich von Angst und Fake-News. Es glaubt nicht ans Ozonloch und an die herrschenden Medien, es vertraut nicht mehr den Fürsorge-Versprechen des Wohlfahrtsstaats und fühlt sich der humanistischen Werte- gemeinschaft nicht mehr zugehörig. Angesichts der Plötzlichkeit, mit der die herrschenden Narrative unserer Gesellschaft zusammenbrechen, sollten wir nicht auf den Reflex verfallen, die Probleme nur in der Kommunikation und Vermittlung von Fakten zu suchen.

Uns sollte weniger die Frage beschäftigen, wie wir Tatsachen besser kommunizieren, sondern vielmehr wie wir die Kommunikation von Tatsachen problematisieren kön- nen. Denn welche Fakten kommuniziert werden und wie, ist freilich eine politische Frage: Wer setzt den Rahmen, wer besitzt die Diskurshoheit? Eben diese enttäuschende Erkenntnis steht hinter Abwendung großer Teile der Gesellschaft von dem, was ein Mainstream als wissenschaftliches Faktum akzeptiert.

Enttäuschung gibt es aber nur, wo sich zunächst jene Täuschung stabil hielt, es gäbe eine gemeinsame, neutrale Sprache, in der ein Kern an anerkannten Tatsachen kommuniziert werden könne: Die Sprache der Wissenschaft. Das Problem ist hierbei sicherlich weniger, dass sich die Wissenschaftsvermittlung ihrer eigenen politischen Rolle nicht bewusst gewesen ist, sondern dass sie bisher keine eigenen ästhetischen Formen der Vermittlung entwickelt hat, in welcher ihre politische Verstrickung einen Ausdruck gefunden hätte. Es fehlt darum sicher nicht an einer kritischen Selbstreflexion der Disziplin, sondern an Techniken der Vermittlung, in denen diese Reflexion sichtbar würde. Dies verlangt, dass Vermittlung we- niger versucht, eine aufklärende Deutung zu liefern, sondern eine Provokation formuliert, die Deutung fordert.

Moriz Stangl studiert Philosophie an der Universität Tübingen sowie psychoanalytische Kulturtheorie und Bildende Kunst an der ABK Stuttgart. 2019 erscheint sein Aufsatz „Schwankende Bilder. Für eine Theorie der Negativität zwischen Satz und Bild“ in der Aufsatzsammlung „Bild und Negativität“ bei Königshausen&Neumann.

Eine Veranstaltung von Kollektiv Mailand/Innenhof

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