Neuberufungen zum WS 2020/2021: Prof.in Bettina Kraus, Prof. Dr. Michael Lüthy und Prof.in Dr. Nadja Wallaszkovits

Die ABK Stuttgart hat zum WS 2020/2021 drei Professuren neu besetzt: die Professur für Entwerfen Architektur unter der Leitung von Bettina Kraus, Michael Lüthy wird Professor für Kunstgeschichte der Moderne und der Gegenwart, sowie die Professur für Konservierung und Restaurierung Neuer Medien und Digitaler Information (KNMDI), die von Nadja Wallaszkovits übernommen wird.

Abb.: Prof.in Bettina Kraus (Foto: Christina Dimitriadis), Prof. Dr. Michael Lüthy (Foto: Hubert Graml) und Prof.in Dr. Nadja WallaszkovitsAbb.: Prof.in Bettina Kraus (Foto: Christina Dimitriadis), Prof. Dr. Michael Lüthy (Foto: Hubert Graml) und Prof.in Dr. Nadja Wallaszkovits

12.10.2020

Bettina Kraus arbeitete nach dem Studium an der ETH Zürich, HdK Berlin und Universität Stuttgart. Von 2000 bis 2012 war sie Partnerin bei „Wiel Arets Architects“ in Amsterdam und in dieser Zeit vornehmlich für den Entwurf einer Vielzahl von mehrfach ausgezeichneten Projekten verantwortlich. Die Bandbreite der Gebäude schließt unter anderem die Galerie „Hedge House“ (Nominierung Mies Award) und die „4 Wohntürme Osdorp“ (Architekturpreis Amsterdam) ein. Das Lösen von komplexen Programmen durch typologische Modifikationen wie bei den prämierten Wettbewerben für den „Medienhaus Schwäbischer Verlag“ und der „IJhal“ des Amsterdamer Hauptbahnhofs sind ein Kerninteresse.

Ab 2013 folgte eine mehrjährige Büropartnerschaft „Thomas Baecker Bettina Kraus Architekten“, mit der Kraus eine Reihe von adaptierbaren Wohn- und Arbeitsformen sowie stark individualisierte Projekte im privaten und künstlerischen Kontext realisierte. Bei dem gewürdigten Spreestudios (engere Wahl Deutscher Architekturpreis, Anerkennung Bauen im Bestand) wurden industrielle Artefakte zu einem dynamischen Arbeits- und Freizeitareal konvertiert und aufgestockt. Eine Anzahl von umgesetzten Projekten dieser Phase erweiterten ihr Portfolio durch intensive Auseinandersetzung und Transformation von Bestandsstrukturen.

Parallel zur Praxis lehrte Bettina Kraus von 2004 bis 2010 an der UdK Berlin, von 2010 bis 2013 am Berlin Studio der Northeastern University in Boston. Im Zusammenhang mit der Vertretungsprofessur „Entwerfen und Bauen im Bestand“ (2014–2017) an der BTU Cottbus publizierte sie das Buch „Werkstücke“. Im Anschluss daran leitete sie von 2017 bis 2020 als Gastprofessorin den Lehrstuhl „Entwerfen und Baukonstruktion, Architektur der Transformation“ an der TU Berlin. Aus dem produktiven akademischen Dialog mit Thomas Fischnaller an der TU Berlin ging 2020 die Partnerschaft „Kraus Fischnaller Architekten“ hervor. Ihr Arbeitsspektrum umfasst Wohnen, Kultur- und Gewerbeflächen sowie Innen- und Möbeldesign. Ziel des Büros ist es, Ideen, die aus der Überlagerung von Praxis, Forschung und Lehre hervorgehen, in die physische Realität umzusetzen.

Für Bettina Kraus ist Architektur ein kultureller Prozess, der an kontextuelle Bedingungen, sowie strukturelle und technische Notwendigkeiten geknüpft ist. Im Spannungsfeld zwischen technisch-naturwissenschaftlichen Disziplinen, gesellschaftlicher Setzung und Formen der freien Kunst unterliegt ihre Architekturlehre allgemeingültigen Methoden und persönlichen Fragestellungen.

Wirklichkeit nicht nur als Basis sondern vielmehr als „Abenteuer“ zu begreifen, um einen eigenständigen und qualitativ wertvollen Architekturbeitrag zu produzieren, ist der Ausgangspunkt ihrer didaktischen Proposition. Dafür werden zunächst die maßgebenden Parameter des komplexen Entwurfs- und Konstruktionsprozesses isoliert, bewertet und bearbeitet, um sie zu einem Projekt zu verdichten.

Beim Entwerfen bezieht sie wesentliche Impulse aus der Herstellung einer dreidimensionalen Skizze, einem sogenannten Werkstück ein, das nicht nur die persönliche Handschrift speichert, sondern vielmehr die Grenzen und Möglichkeiten des jeweiligen Materials auslotet, um durch eben diese Beschränkung das Konzept einer sinnfälligen Konstruktion zu er- oder finden. Anstatt der ungeeigneten Kopie einer formalen, bereits verinnerlichten vorhandenen Architekturvorstellung, stehen assoziatives Denken und handwerkliches Machen im Vordergrund. Dabei wird über das Entwickeln des eigenen Ausdrucks und Charakters hinaus die entworfene Wirkung im Abgleich mit der Realität überprüft.

Eine gemeinsam mit dem Lehrstuhl der TU Berlin begonnene Publikation mit dem Arbeitstitel „False Friends“, die das Potential von Assoziativen Bildern und Modellen erforscht, plant sie an der ABK Stuttgart fertigzustellen. // krausfischnaller.com

Antrittsvorlesung Prof.in Bettina Kraus:
Dienstag, 8. Dezember 2020, 18.30 Uhr


Michael Lüthy, 1966 in Zürich geboren, schloss sein Studium 1993 an der Universität Basel mit einer Arbeit über Andy Warhols künstlerisches Verfahren ab. Nach einer Assistenzzeit an derselben Universität übersiedelte er 1997 nach Berlin, um dort mithilfe von Stipendien sowie als Lehrbeauftragter an der UdK Berlin seine Promotion über Edouard Manets Bildkonzept abzuschließen, die er im Jahr 2000 verteidigte. Im Herbst desselben Jahres wurde er Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Freien Universität Berlin mit der Aufgabe, das Konzept für einen DFG-Sonderforschungsbereich zum Thema „Ästhetische Erfahrung“ auszuarbeiten und die Antragstellung zu koordinieren. Zum Jahresbeginn 2003 nahm der Sonderforschungsbereich „Ästhetische Erfahrung im Zeichen der Entgrenzung der Künste“ seine Arbeit auf, die er als Geschäftsführer und wissenschaftlicher Koordinator steuerte. 2010 habilitierte er sich mit einer Arbeit zu Ludwig Wittgensteins Kunstästhetik und trat im Herbst desselben Jahres an der Freien Universität eine Professur für Neuere und Neueste Kunstgeschichte an. 2014 wechselte er auf die Professur für Geschichte und Theorie der Kunst an der Bauhaus-Universität Weimar.

Lüthys Forschungsschwerpunkte liegen in der Kunst des 19. Jahrhunderts (mit einem Akzent auf Frankreich), in der Kunst seit 1945 (mit einem Akzent auf der US-amerikanischen Kunst), in der Gegenwartskunst sowie in den Kunsttheorien der Moderne.

In Michael Lüthys inzwischen über 25-jähriger Lehre an unterschiedlichen Orten und Institutionen (sowohl Universitäten wie Kunsthochschulen) haben sich pädagogisch-wissenschaftliche Leitlinien herausgebildet. Eine erste besteht darin, die Analyse einzelner Werke mit der Diskussion von Texten der Primär- und Sekundärliteratur so zu verzahnen, dass die leitenden Ideen und Begriffe der diskutierten Kunst greifbar werden. Damit soll ein reflexiver Umgangs mit den Diskursformationen eingeübt werden, die für das Verständnis der Kunst der Moderne und der Gegenwart entscheidend sind. Eine zweite Leitlinie ist die möglichst häufige Arbeit vor Originalen, weil nur am Original die materiellen und technischen Prozesse, die in ein jeweiliges Kunstwerk münden, wirklich anschaulich werden. Eine dritte Leitlinie ist der stetige Brückenschlag zwischen der wissenschaftlich-theoretischen Auseinandersetzung mit Kunstwerken und den spezifischen Interessen werdender Praktikerinnen und Praktiker sowie Lehramtsstudierenden. Michael Lüthys Erfahrung gemäß gelingt dieser Brückenschlag zwischen den praktischen und theoretischen Perspektiven auf die Kunst besonders gut, wenn Kunstgeschichte und Kunsttheorie als Problemzusammenhang thematisiert werden, der die jeweiligen künstlerischen Verfahren ebenso umfasst wie die theoretischen Rahmungen, in die sie eingebettet sind. Beispiele für solche Problemzusammenhänge sind beispielsweise die Entgrenzung der Kunst und der Künste seit den historischen Avantgarden, die (Nicht-)Autonomie der Kunst seit dem Anbruch der Moderne um 1800 oder das historisch immer wieder reformulierte Spannungsverhältnis zwischen Natur und Kunst. Im Rahmen der Diskussion solcher Problemzusammenhänge kann die schwierige, aber an einer Akademie besonders virulente Aufgabe gelingen, die Singularität eines Kunstwerks ebenso im Auge zu behalten wie den Allgemeinbegriff der Kunst, und überdies das Kunstgeschehen der Gegenwart sinnvoll mit der Breite und Tiefe der Kunstgeschichte in Kontakt zu bringen.

Antrittsvorlesung Prof. Dr. Michael Lüthy:
Dienstag, 8. Dezember 2020, 18.30 Uhr

Nadja Wallaszkovits, 1969 in Bad Aussee in Österreich geboren, studierte vergleichend-systematische Musikwissenschaft mit Schwerpunkt Ethnomusikologie und Theaterwissenschaft an der Universität Wien und ist Diplomabsolventin der School of Audio Engineering (SAE) in Wien. 2017 schloss Nadja Wallaszkovits ihre Dissertation zu dem Thema „Restaurierung historischer Audiomaterialien mit Schwerpunkt Aufnahmen aus dem Phonogrammarchiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften“ an der Universität Wien ab.

Als Toningenieurin in den Studios des Wiener Konzerthauses sowie verschiedenen nationalen und internationalen Musik- und Filmproduktionen im Audio und Videobereich von Klassik über Musicals bis Jazz sammelte sie von 1988 bis 2002 umfangreiche Erfahrungen in den Bereichen der Aufnahme, Mischung und Nachbearbeitung von Orchester- und Musical-Produktionen sowie Live-Beschallung für den Bühnen- und Konzertbetrieb. Von 1998 bis 1999 war Nadja Wallaszkovits zunächst Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Phonogrammarchivs der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Die Konzeption und Erarbeitung einer Machbarkeitsstudie zum Aufbau eines wissenschaftlichen Videoarchivs sowie eine erste Evaluation zur linearen digitalen Videoarchivierung waren die Schwerpunkte ihrer Tätigkeit. Im Anschluss daran war Wallaszkovits ebendort als Assistenz-Tontechnikerin u. a. für Audio-Digitalisierungen und Re-Recording, für die Restaurierung und Bearbeitung (Mastering) von CD-Editionen, sowie für die Workflow-Konzeptionierung und Implementierung des Digitalarchivs (im Bereich Audio und Video) zuständig. 2005 übernahm sie als Cheftechnikerin die Arbeitsgruppe Technische Entwicklung im Phonogrammarchiv und war bis zu ihrem Ruf an die ABK Stuttgart für die technisch-konservatorische Betreuung und digitale Archivierung der Sammlung verantwortlich. Während ihrer Tätigkeit im Programmarchiv spezialisierte Wallaszkovits sich auf die Restaurierung, Digitalisierung und optimierte Signalextraktion vom Originalmedium (Re-Recording).

Nadja Wallaszkovits ist Konsulentin im Bereich Archivtechnologie und technische Feldforschungsmethodik für nationale und internationale Institutionen und unterrichtete als Gastdozentin an der Universität Wien sowie an den Fachhochschulen in Berlin und Bern. Sie war Präsidentin der Audio Engineering Society (AES), stellvertretende Vorsitzende des Technischen Komitees der International Association of Sound and Audiovisual Archives (IASA) und Mitglied des IASA Training & Education Komitees (Certified IASA Trainer). Durch Publikationen, Beiträge zu Konferenzen, Workshops, den Anstoß und die Umsetzung diverser Forschungs- und Digitalisierungsprojekte nimmt sie am öffentlichen Diskurs ihres Fachgebiets teil.

In ihrer Lehre an der ABK Stuttgart wird Nadja Wallaszkovits nicht nur ihre langjährigen Erfahrungen aus internationalen Projektkooperationen sowie ihre Kompetenzen aus den Bereichen der optimierten Signalübertragung von AV Medien und der daraus entstehenden restaurierungs-ästhetischen Fragestellungen einbringen, sondern auch ihr Spezialgebiet der konservatorisch-restoratorischen Grundlagenforschung. In diesem Zusammenhang ist geplant, Teilbereiche des von ihr beim Projektpartner Phonogrammarchiv geleiteten EU HORIZON 2020-Projektes „NEMOSINE: Innovative packaging solutions for storage and conservation of 20th century cultural heritage of artefacts based on cellulose derivates“ an der ABK fertigzustellen.

Die Besetzung der Professur für Konservierung und Restaurierung Neuer Medien und Digitaler Informationmit Nadja Wallaszkovits erfolgt als Vorgriffsprofessur im Rahmen des Professorinnenprogramms III des Bundes und der Länder, bei dem die Anschubfinanzierung zur Erstberufungen von Frauen auf unbefristete Professuren gefördert wird.


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