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Der Studiengang Konservierung und Restaurierung Neuer Medien und Digitaler Information der ABK Stuttgart kooperiert im Rahmen der Förderung des Kulturerhalt-Programms des Auswärtigen Amtes mit dem Nationalen Rundfunk von Guinea-Bissau, um einzigartige und historisch wertvolle Tonaufnahmen zu erhalten.

Der Sender Rádio Libertação wurde 1964 von der Afrikanischen Partei für die Unabhängigkeit von Guinea und Kap Verde gegründet und entwickelte sich zu einer prägenden Stimme des antikolonialen Widerstands. Er verbreitete militärische und politische Informationen, vermittelte ideologische Standpunkte und förderte kulturelle Ausdrucksformen. Seine Sendungen in Portugiesisch, Kreol und verschiedenen Regionalsprachen machten ihn zu einem zentralen Instrument der Mobilisierung. Nach der einseitigen Unabhängigkeitserklärung im Jahr 1973 und der offiziellen Anerkennung durch Portugal im Jahr 1974 bezog Rádio Libertação die Räumlichkeiten des ehemaligen kolonialen Staatssenders in Bissau. Dies markierte den Beginn der Nationalen Rundfunkanstalt von Guinea-Bissau (RDN), die heute die öffentlich-rechtliche Rundfunkinstitution des Landes ist. Unter staatlicher Trägerschaft knüpfte der RDN an die Sendepraxis von Rádio Libertação an und wurde zur zentralen Plattform für politische Kommunikation und kulturelle Selbstvergewisserung im unabhängigen Guinea-Bissau. Der Archivbestand der RDN gliedert sich heute in drei Hauptsammlungen: Aufnahmen des Guerilla-Rundfunks Rádio Libertação (bis 1974), Sendungen der nationalen Rundfunkanstalt (ab 1975) sowie musikethnografische Aufnahmen aus den 1980er Jahren.

Digitalisierung der Tonträger von Rádio Libertação, 2020–2024

Angestoßen durch Rui Vilelas Dissertationsprojekt zur politischen Bedeutung des Hörens im Befreiungskampf Guinea-Bissaus, das in künstlerischer Forschung zum antikolonialen Tonarchiv verankert ist und auf einer seit 2016 bestehenden Zusammenarbeit mit der Rundfunkanstalt basiert, entwickelte sich eine enge Kooperation mit deren Leitung und dem Archivpersonal. Zwischen 2020 und 2024 lag der Schwerpunkt des Projekts – unter seiner Leitung und in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Nadja Wallaszkovits – auf der Digitalisierung von Tonträgern aus der Sammlung von Rádio Libertação, insbesondere aus der zweiten Hälfte des Befreiungskampfes gegen die portugiesische Kolonialherrschaft. Der Bestand dokumentiert zentrale Aspekte des Widerstands sowie vielfältige kulturelle Ausdrucksformen dieser Zeit. Er umfasst Reden, Nachrichten, Interviews und Musikproduktionen in Portugiesisch, Kreol und regionalen Sprachen. Ein wesentlicher Teil der Projektarbeit bestand in der aufwendigen Restaurierung der vielfach beschädigten Magnetbänder – ein Verfahren, das hohe Sorgfalt, technische Expertise und spezialisierte Ausrüstung erforderte.

Zugänglichmachung weiterer Bestände (2025–2027, gefördert durch das Auswärtige Amt)

Die bislang digitalisierten Tonträger bilden die Grundlage für eine zweite Projektphase, in der weitere Teile des Rundfunkarchivs erschlossen werden. Dazu gehören insbesondere Aufnahmen aus der unmittelbaren Nach-Unabhängigkeitszeit sowie musikethnologische Bestände aus den 1980er Jahren. Die bisherigen Ergebnisse belegen, dass eine technisch anspruchsvolle und kontextuell verankerte Digitalisierung vor Ort möglich ist. Sie zeigen zudem den Erfolg einer institutionellen Zusammenarbeit, die auf Kontinuität, Transparenz und nationale Verantwortung setzt. Das Projekt stellt eine gezielte Investition in die öffentliche Infrastruktur Guinea-Bissaus dar und hat konkrete Effekte: Es entstehen neue qualifizierte Arbeitsplätze, die technische Eigenständigkeit der RDN wird gestärkt und die internationale Sichtbarkeit in Fachnetzwerken erhöht sich. Dabei geht es nicht nur um Bewahrung, sondern auch um die Etablierung verlässlicher Strukturen zur eigenständigen Organisation, Pflege und Öffnung des audiovisuellen Erbes. Zur langfristigen Nutzung wird im Jahr 2025 ein öffentlich zugänglicher und durchsuchbarer Katalog auf Basis einer gemeinsam mit guineischen Partnern entwickelten Datenbank veröffentlicht. Dieser gewährleistet den strukturierten Zugang zu den digitalisierten Beständen und stärkt zugleich die Verantwortung der nationalen Institutionen für deren Verwaltung. Darüber hinaus verbleiben sämtliche Nutzungsrechte ausschließlich bei der RDN. Somit sind alle Entscheidungen über Zugang und Weiterverwendung transparent und liegen in voller Eigenverantwortung der nationalen Institutionen.

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The Anticolonial Sound Archive: From Rádio Libertacão to the National Broadcaster of Guinea-Bissau

The study programme Conservation and Restoration of New Media and Digital Information is cooperating with the National Broadcasting Corporation of Guinea-Bissau to preserve unique, historically valuable sound recordings as part of the German Federal Foreign Office’s Cultural Preservation Programme:

Rádio Libertação was founded in 1964 by the African Party for the Independence of Guinea and Cape Verde and became a defining voice of the anticolonial resistance. The station broadcast military and political information, conveyed ideological positions, and supported cultural expression. Its programming in Portuguese, Creole, and various regional languages made it a vital instrument of mobilisation. After the unilateral declaration of independence in 1973 and Portugal’s official recognition in 1974, Rádio Libertação moved into the premises of the former colonial state broadcaster in Bissau. This takeover marked the beginning of what would become, in 1975, the National Broadcaster of Guinea-Bissau (RDN) – today the country’s public broadcasting institution. Under state ownership, the RDN continued the broadcast practices of Rádio Libertação and became a central platform for political communication and cultural self-definition in independent Guinea-Bissau. Today, the RDN archive is divided into three main collections: recordings from the guerrilla broadcaster Rádio Libertação (until 1974), from the national broadcaster (from 1975 onward), and ethnomusicological recordings from the 1980s.

Digitisation of the Rádio Libertacão Recordings, 2020–2024

Initiated by Rui Vilela’s dissertation project on the politics of listening in the liberation struggle of Guinea-Bissau – rooted in artistic research on the anticolonial sound archive and supported by an ongoing collaboration with the broadcasting institution since 2016 – a close cooperation emerged with its leadership and archival staff. Between 2020 and 2024, the project – led by Vilela in collaboration with Prof. Dr. Nadja Wallaszkovits – focused on the digitisation of audio recordings from the Rádio Libertação collection, particularly those dating from the second half of the liberation struggle against Portuguese colonial rule. The collection documents key aspects of the resistance, as well as diverse cultural expressions of the time. It includes speeches, news broadcasts, interviews, and music productions in Portuguese, Creole, and various regional languages. A significant part of the project involved the laborious restoration of heavily damaged magnetic tapes – a process requiring meticulous care, technical expertise, and specialised equipment.

Access to Further Holdings (2025–2027, Funded by the German Federal Foreign Office)

The digitised recordings form the foundation for a second project phase, which will focus on additional sections of the archive – particularly materials from the immediate post-independence years and ethnomusicological collections from the 1980s. The first phase has demonstrated that technically demanding and contextually grounded digitisation can be successfully carried out on-site. It has also proven the effectiveness of institutional cooperation based on continuity, transparency and national responsibility. This initiative represents a strategic investment in Guinea-Bissau’s public infrastructure, yielding tangible results: the creation of new skilled jobs, enhanced technical autonomy for the RDN, and international recognition within professional networks. Beyond preservation, the project aims to establish sustainable conditions for the sovereign organisation, care and public accessibility of the country’s audiovisual heritage. To ensure long-term access, a publicly accessible, searchable catalogue will be released in 2025, based on a database developed in close cooperation with Guinean partners. It will enable structured access to the digitised holdings and reinforce the national institutions‘ role in managing this critical archival resource. Furthermore, all usage rights will remain exclusively with the RDN, ensuring that decisions on access and further use are made transparently and autonomously within national institutions.