„Die Suche nach der dunklen Vergangenheit der „V2“ – Untersuchungen der Weltkriegs-Rakete im Studiengang Objektrestaurierung

Im Studiengang Objektrestaurierung der ABK Stuttgart wird derzeit im Rahmen eines Masterprojekts die „Aggregat 4“, eine Rakete aus dem Zweiten Weltkrieg, im Deutschen Museum untersucht. Ziel ist es, den Erhaltungszustand zu erfassen und die Schäden zu kartieren, um eine Grundlage für die Erstellung eines Konservierungs- und Restaurierungskonzepts zu schaffen.

Abb.: Anna Dohnal dokumentiert den Erhaltungszustand der „V2“ im Deutschen Museum Abb.: Anna Dohnal dokumentiert den Erhaltungszustand der „V2“ im Deutschen Museum

18.04.2024

Seit Wochen befindet sich der Arbeitsplatz der Masterstudentin Anna Dohnal aus dem Studiengang Konservierung und Restaurierung von archäologischen, ethnologischen und kunsthandwerklichen Objekten in schwindelerregender Höhe. Unter Betreuung der Studiengangsleiterin Prof.in Dr. Andrea Funck und den Kolleg*innen des Deutschen Museums dokumentiert Anna Dohnal den Erhaltungszustand der 14 Meter großen Rakete von Podesten in der Luftfahrtausstellung des Deutschen Museums in München aus.

Die „Aggregat 4“, auch „V2“ genannt, war im Zuge der Sanierungen des Ausstellungsabschnitts jahrelang verpackt. 2022 stellten Museumsmitarbeiter*innen schwere Schäden der Lackierung aufgrund eines Wassereinbruchs fest. Lackschichten lösen sich vom Untergrund, Korrosion hat sich gebildet. Anhand der detaillierten Aufnahme und Kartierung der Schäden sowie Veränderungen der Oberflächen wird die Grundlage für die Erstellung eines Konservierungs- und Restaurierungskonzepts erstellt. Eine weitere große Aufgabe ist die Suche nach verborgenen Farbschichten und Aufschriften, die besonders für die Rekonstruktion der Vergangenheit der Rakete, und somit für Andreas Hempfer, Kurator für Historische Luftfahrt und Raumfahrt, von großem Interesse ist.  

Die Rakete, deren Lackierung ursprünglich Tarnfarben gewesen sein dürfte, wurde als Kriegswaffe konzipiert und im KZ-Komplex Mittelbau-Dora unter unmenschlichen Bedingungen produziert. Allein durch den Bau starben ca. 20.000 KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter, durch ihren Einsatz ca. 8.000 Zivilisten. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die Raketenteile in die USA transportiert. 1955 kamen diese auf Bemühungen des Luft- und Raumfahrtingenieurs Wernher von Braun zunächst nach Stuttgart zum geplanten „Deutschen Raketen- und Raumfahrtmuseum e. V.“ und wurden eingelagert, wie Anna Dohnal Unterlagen im Stadtarchiv Stuttgart entnehmen konnte. Als sich 1960 abzeichnete, dass dieses Museum nicht zustande kommt, wurde die Rakete verkauft und 1963 im Deutschen Museum aufgestellt.

Wann die „V2“ ihren überwiegend weißen Anstrich bekam, ist bislang ungeklärt. Ob die grüne Farbe, die sich noch an kleinen Stellen erahnen lässt, aus dieser Zeit oder von einer späteren Überarbeitung stammt, ist die Kernfrage der Untersuchungen. Mit Proben der Lackschichten, will man dieser Frage im Zuge eines Folgeprojekts unter Leitung von Dr. Marisa Pamplona Bartsch in der Abteilung Konservierungswissenschaft des Deutschen Museums auf den Grund gehen.

Außerdem wurden Flächen ausgewählt, an denen die Raketenoberfläche zerstörungsfrei geprüft werden sollten. Diese Untersuchungen werden von der Technischen Universität München (TUM) mit ihrem Lehrstuhl für Zerstörungsfreie Prüfung unter der Leitung von Prof. Dr. Christian Große und Dr. Matthias Goldammer, Siemens AG Technology, München, unterstützt. Hierfür wurde die Rakete gemeinsam mit drei Forscherinnen des Lehrstuhls mit der Methode der Thermografie analysiert. Mit diesem Verfahren wird an einzelnen Stellen unter dem jetzigen weißen Anstrich mithilfe elektromagnetischer Strahlung im Infrarotbereich nach Spuren der früheren Lackierung gesucht. Die ersten Untersuchungen ergaben keine Hinweise auf einen Tarnanstrich aus der Erbauungszeit, weshalb diese weiterhin fortgesetzt werden.

„Sicher ist, dass die Rakete konserviert und restauriert werden muss, um als Zeugnis – auch der dunklen Vergangenheit dieses Exponates – erhalten zu bleiben“, so Andrea Funck.

Weitere Informationen:  
www.deutsches-museum.de/museum/aktuell/das-letzte-geheimnis-der-v2
ww.deutsches-museum.de/museumsinsel/ausstellung/historische-luftfahrt


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