Werkgespräch mit dem Künstler Thomas Müller

Galerie Michael Sturm, Christophstraße 6, 70178 Stuttgart

Abb.: Thomas Müller (Titelbild der Ausstellung „POLE“)
Abb.: Thomas Müller (Titelbild der Ausstellung „POLE“)

09.05.2018 | 12:00

Das Werkgespräch findet im Rahmen der Ausstellung „POLE“ in der Galerie Michael Sturm statt. Initiiert wurde dieses von der Klasse Prof. Reto Boller in Anlehnung an das im Sommersemester 2018 stattfindende Modul „Malerei“.

Der Titel „POLE“ der neuen Ausstellung von Thomas Müller (*1959, Frankfurt am Main) bezeichnet das Spannungsfeld, das sein zeichnerisches Werk ausmacht. Pole wirken hier auf diversen Ebenen, sei es das Verhältnis von Linie und Fläche, Ordnung und Chaos, Leere und Fülle oder Hell und Dunkel betreffend. Es sind dies Gegensätze, die sein Werk charakterisieren und katalysieren. Thomas Müller fokussiert sich seit den 1990er Jahren auf die Zeichnung. Dabei versteht er seine Arbeit als im Fluss befindlich, es gibt keine Abgeschlossenheit, keine Serien, die beendet werden, sondern einen kontinuierlich wachsenden Raum für Begegnungen, für Linien und Flächen, die in den Dialog treten, im einzelnen Blatt und im Verhältnis mehrerer Arbeiten zueinander. Dem können wir besonders in den kleinen Formaten in A4 gewahr werden, wie sie in der für Müller typischen Hängung im Flur der Galerie Sturm präsentiert werden. Entwickelt im Rahmen seiner Ausstellung im Kunstmuseum Bonn 2003, sind auch heute die Lücken entscheidend: Freiräume, die die Einzelwirkung betonen und gleichzeitig eine Zusammenschau ermöglichen.

Thomas Müller formuliert es so: „Bewegungen, die zwischen sich widersprechenden oder sich ergänzenden Polen oszillieren, öffnen einen Raum, den offenen Raum der Zeichnung, den Raum, in den hineingearbeitet werden kann.“ Dieser Raum, das Blatt, wird in seinem Werk zum Experimentierfeld, in dem er mit diversen Medien agiert, sucht und findet. Dabei beschränkt er sich zwar auf wiederkehrende formale und mediale Grundelemente, sei es das fest vorgegebene Format und die typischen und weniger typischen zeichnerischen Mittel, wie Bleistift, Tusche, Kopierstift, Kugelschreiber, Kreide oder Lack – das Ergebnis allerdings bleibt wie im Experiment offen.

In seinen neuesten Arbeiten mit Silberstift auf Tusche-Acryl Grund im Oberlichtraum spielen Pole auch im Einzelblatt eine wichtige Rolle, so strukturieren die Knotenpunkte, in denen sich die Linien bündeln, die Bildgestaltung. Durch die Collage einmal horizontal, einmal vertikal getrennter Blätter ergeben sich im Einzelwerk neue Bezüge und Konstellationen. Linien scheinen von einem Pol zum anderen zu verlaufen und verweisen doch entlang der Kante auf die Materialität der Zeichnung. Die Poesie der Form und ihre Gemachtheit sind im Werk Thomas Müllers untrennbar miteinander verbunden. Henri Matisse behauptete einst, dass „Zeichnung […] Besitzergreifung (sei). Jeder Linie muss eine andere Linie entsprechen, die ihr Gegenstück bildet, so wie man etwas mit beiden Armen umarmt.“ So findet auch das körperlich emotionale der Zeichnung seinen Ausdruck, denn Form und Geste, Gedanke und Bewegung sind hier so eng miteinander verbunden wie in keinem anderen Medium.

Laufzeit der Ausstellung: 13.04.–02.06.2018 

Thomas Müller studierte Kunst an der ABK Stuttgart, sowie Germanistik an der Universität Stuttgart. Seine Arbeit wurde durch ein Stipendium der Kunststiftung Baden-Württemberg und Künstleraufenthalte an der Cité Internationale des Arts, Paris und der Chinati Foundation, Marfa, Texas gefördert. 2009 gewann er den Preis der Art Karlsruhe im Rahmen einer Standpräsentation durch die Galerie Michael Sturm. Im Jahr 2010 folgte eine Nominierung für den Prix de Dessin der Fondation Guerlain.

Thomas Müller zählt zu den bedeutendsten Künstlern im Bereich der Zeichnung. Seit 2010 wird seine Arbeit auch in der großangelegten Wanderausstellung „Linie Line Linea“ des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) in internationalen Institutionen gezeigt.

Seine Arbeiten sind in zahlreichen namhaften privaten und öffentlichen Sammlungen vertreten, darunter unter anderem die Kunsthalle Hamburg, das Kunstmuseum Stuttgart, die Staatsgalerie Stuttgart, die Staatlichen Museen zu Berlin, die Staatliche Graphische Sammlung München, sowie das ZKM Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Museum für Neue Kunst Karlsruhe und das Centre Pompidou Paris. In direkter Folge auf seine Präsentation auf Einladung von Sean Scully in dessen Studio in New York, zeigen wir nun mit POLE die sechste Einzelausstellung von Thomas Müller in der Galerie Michael Sturm.

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