Geschichte der Akademie

TRADITIONSREICHE ADRESSE MIT WECHSELVOLLER GESCHICHTE

Die Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart (mit ihren ca. 900 Studierenden) ist die größte künstlerische Hochschule in Baden-Württemberg und mit ihrer 250-jährigen Geschichte eine der traditionsreichsten Kunsthochschulen Deutschlands.

Am 25. Juni 1761 gründete Herzog Carl Eugen von Württemberg die Académie des Arts, „wo sich die Jugend bilden kann, wie junge Pflanzen in einer Baumschule“. Diese Academia artium Stuttgardensis wird 1782 der Hohen Carlsschule angegliedert, einer streng reglementierten, an militärischer Disziplin orientierten Eliteschule, an der Carl Eugen die besten Köpfe des Landes für seinen Dienst ausbilden lässt. Einerseits von radikaler Modernität, andererseits von den absolutistischen Attitüden des Herzogs geprägt, war die Hohe Carlsschule zwar sicher ein großer Wurf, aber auch zurecht umstritten. Einerseits lehrten Absolventen wie der klassizistische Bildhauer Johann Heinrich Dannecker als Professoren an der Carlsschule, während sich andere, wie der Landschaftsmaler Josef Anton Koch oder etwa Friedrich Schiller, dem immensen Druck und der Bevormundung auf der „Sklavenplantage“ (Schubart) durch Flucht entzogen.

Carl Eugens hochfliegender Plan einer Hochschule von europäischem Rang endete mit dem Tode des Herzogs. Die Hohe Carlsschule wurde aus Kostengründen geschlossen und Württemberg verlor damit auch seine erste Fakultät der freien Künste. Ehemalige Lehrer der Carlsschule fanden zwar in der nachfolgenden Kunstschule ihr Auskommen, aber sie konnte nicht an die Glanzzeiten der Academia artium anknüpfen. Aus der Kunstanstalt Neckarstraße, von Georg Gottlob Barth von 1834 bis 1842 zur gemeinsamen Unterbringung der Kgl. Kunstschule und der angegliederten Kunstsammlungen gebaut (heute der Altbau der Staatsgalerie Stuttgart), zog die Kgl. Kunstschule 1890 in den Neubau der Urbanstraße 37 um, wo sie bis zur Zerstörung der Gebäude im Zweiten Weltkrieg untergebracht war.

1869 wurde die Württembergische staatliche Kunstgewerbeschule zur Förderung der deutschen Kunstindustrie gegründet, zu der 1902 die Königlichen Lehr- und Versuchswerkstätten kamen.

Der Architekt und Gestalter Bernhard Pankok verfolgte das ehrgeizige Vorhaben, alle Stuttgarter Kunstlehranstalten, die bislang an verschiedenen Orten untergebracht waren, unter einem Dach zusammenzuführen.

Der heutige so genannte Altbau der Akademie, der 1913 nach Pankoks Entwürfen gebaut wurde, war das erste Gebäude mit dieser heute durch die Weißenhofsiedlung für das Bauhaus und die Klassische Moderne so bedeutenden Adresse. Die Zusammenführung von Handwerk und Kunst lag durch die Arts-and-Crafts-Bewegung eines William Morris geradezu in der Luft. Man erhoffte sich für die Wirtschaft Anregungen und neben wirtschaftlichen auch künstlerische Impulse für das Kunsthandwerk jenseits einer gesichtslosen, industriellen Massenfabrikation. Bernhard Pankok propagierte auch für die künstlerische Ausbildung noch vor dem Bauhaus die Bedeutung der praktischen Tätigkeit und skizzierte damit die erste staatliche Reformschule der Moderne in Deutschland. Pankoks ehrgeiziges Vorhaben betonte die zentrale Bedeutung der praktischen Tätigkeit für die künstlerische Ausbildung, förderte eine intensive Werkstattarbeit der Studierenden und versuchte die scharfe Grenzziehung zwischen der freien und der angewandten künstlerischen Tätigkeit zugunsten eines Zusammenwirkens von freien und angewandten Künsten aufzuheben. Diese Tendenz zur Interdisziplinarität ist bis heute ein Spezifikum der Stuttgarter Akademie geblieben. So gab es 1925 bereits 21 Werkstätten, seit dieser Zeit sind noch weitere Werkstätten hinzugekommen. Der Stellenwert, den diese über 30 Werkstätten bis heute im Selbstverständnis der Akademie einnehmen, ist auf die Impulse Pankoks zurückzuführen, und es gibt wohl kaum eine Kunsthochschule in Deutschland, die besser mit Werkstätten ausgestattet ist.

Nach Bernhard Pankok ist auch Adolf Hoelzel als einflussreicher Lehrer und frühe Zentralfigur der Stuttgarter Akademie zu erwähnen. Adolf Hoelzel wurde 1905 berufen und lehrte bis 1919 auf dem Weißenhof. Er hatte als Künstler, vor allem aber als Lehrer einen bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung der Moderne in Deutschland. Seine Lehre von den bildnerischen Mitteln hat das Selbstverständnis der künstlerischen Ausbildung des 20. Jahrhunderts entscheidend mitgeprägt, denn seine Schüler Johannes Itten und Oskar Schlemmer entwickelten Hoelzels methodische Überlegungen mit anderen zur Bauhaus-Grundlehre weiter.

Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde auch in Stuttgart die Verbindung zur Moderne gekappt, auch hier wurden Künstler mit Arbeitsverboten belegt, als entartet ausgegrenzt und diffamiert.

Auch der Hoelzel-Schüler Willi Baumeister, einer der wichtigsten deutschen Künstler der Nachkriegszeit, war wie viele andere von diesen Repressalien betroffen; er konnte nur noch insgeheim künstlerisch arbeiten und musste sich als Werbegrafiker durchschlagen. Baumeisters während des Krieges verfasstes Werk Das Unbekannte in der Kunst (1947 erschienen) gehört zu den klassischen theoretischen Künstlertexten der Moderne. Willi Baumeister – 1946 als Professor an die Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart berufen – war eine der prägenden Symbolfiguren für den Neubeginn an der Stuttgarter Kunstakademie. Er wirkte an der Neuorganisation der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste mit und stellte als einflussreicher Lehrer die abgerissene Verbindung zur Moderne nach dem Zweiten Weltkrieg wieder her.

EIN PLURALISMUS DER STILE

Pankoks Vision einer Zusammenführung der Stuttgarter Kunstlehranstalten wurde 1946 mit der Neuordnung und feierlichen Wiedereröffnung der Akademie in den Gebäuden der ehemaligen Kunstgewerbeschule auf dem Weißenhof schließlich verwirklicht. Zur Eröffnung sprach der damalige Kultusminister von Württemberg und spätere Bundespräsident, Prof. Dr. Theodor Heuss.

Heuss formulierte damals einen grundlegenden Gedanken, der sich im breiten Spektrum der künstlerischen Positionen der Akademie noch immer festmachen lässt. Er stellte fest: „...die Akademie soll keiner Richtung gehören. Mit voller Absicht habe ich polare, sachliche Spannungen hier zusammengebracht, das so genannte Abstrakte neben das Realistische gestellt, dem Expressiven neben dem Naturalistischen einen Lebensraum zugewiesen.“

Natürlich reagiert die Stuttgarter Akademie immer wieder auf neue ästhetische Tendenzen und technologische Entwicklungen in den freien und angewandten Künsten, doch die Vielfältigkeit in den Lehrpositionen, diese polare, sachliche Spannung, von der Heuss sprach, prägt die Staatliche Akademie der Bildenden Künste bis heute. Es gibt keine strikte Schulenbildung, es gibt keinen verbindlichen Akademie-Stil, sondern es ist bis heute bei einem Pluralismus der Stile und Lehrmeinungen geblieben, der es ermöglicht, Bewährtes weiterzuführen und auf neue Herausforderungen und Impulse angemessen und kreativ zu reagieren.

Die große Zahl der Lehrer, die in den letzten fünfzig Jahren durch ihre künstlerische Tätigkeit und ihren pädagogischen Einfluss in den freien und angewandten Lehrbereichen der Akademie ihre Spuren hinterlassen haben und die damit auf die Kulturgeschichte des Landes Baden-Württemberg und darüber hinaus in künstlerischer Hinsicht eingewirkt haben, kann selbstverständlich nicht vollständig aufgeführt werden, es kann an dieser Stelle nur exemplarisch auf die Vielzahl der künstlerischen Positionen und unterschiedlichste Persönlichkeiten verwiesen werden, die an der Akademie gelehrt haben wie Gunter Böhmer, Alfred Hrdlicka, Rudolf Hoflehner, Joseph Kosuth, K.R.H. Sonderborg und Joan Jonas oder bedeutende Designer beziehungsweise Architekten wie David Chipperfield, Robert Haussmann, Erwin Heinle, Herbert Hirche, Herta-Maria Witzemann, Kurt Weidemann oder Richard Sapper. Alle wichtigen Professorinnen und Professoren oder Absolventinnen und Absolventen aufzuführen würde den gegebenen Rahmen bei weitem sprengen.

EINE OFFENE HOCHSCHULE DER KÜNSTE

Die Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart hat sich in den letzten Jahren verstärkt nach außen geöffnet. Die Auslandskontakte sind auf über 50 Kooperationen innerhalb und außerhalb Europas angewachsen. Der Anteil der ausländischen Studierenden liegt seit Jahren bei ca. 10 Prozent, Verterinnen und Vertreter aus über 20 Nationen aus aller Welt studieren an der Stuttgarter Kunstakademie.

Das Ideal der Transparenz und Öffnung innerhalb der Hochschule findet seine Entsprechung in der Pflege und im angestrebten Ausbau der Zusammenarbeit mit anderen Kunsthochschulen, Universitäten und weiteren kulturellen Institutionen auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene. Die Stuttgarter Kunstakademie beteiligt sich auf vielfältige Weise am ästhetischen Diskurs unserer Zeit mit Ausstellungen und theoretischen und wissenschaftlichen Beiträgen, in Form von Kongressen und Publikationen. Es ist zudem ein besonderes Anliegen der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, das in Forschung und Lehre erarbeitete künstlerische und wissenschaftliche Potenzial in die Öffentlichkeit zu tragen, um damit in innovativer Weise den Herausforderungen der Zeit gerecht zu werden.

Literatur: Vgl. Kermer, Wolfgang; Daten und Bilder zur Geschichte der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart – Eine Selbstdarstellung; Sonderdruck; Stuttgart 1988.

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